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Noch bis ins 19. Jahrhundert galt sie allgemein als Inbegriff der Schönheit: vornehme Blässe, eine schneeweiße Haut. Dies wird vor Allem darauf zurückgeführt, dass die Mitglieder des Adels*, allseits beneidet und mit vollkommen anderen Privilegien ausgestattet als das 'gemeine' Volk, in der Regel eine solche besaßen. Von Feldarbeit und anderen Tätigkeiten vollkommen ausgenommen hatten bessergestellte Bevölkerungsschichten seit Jahrhunderten viel hellere Haut als die arbeitende Landbevölkerung. Um ja nicht mit den einfachen Leuten verwechselt zu werden führte das im Rokoko zu einer wahren Make-Up-Manie an den Höfen Europas.

Das änderte sich erst mit dem Einsetzen des Industriezeitalters, als sich die Lage relativ schnell ins Gegenteil verkehrte. Verstärkt auftretende Krankheiten wie Mangelerscheinungen, Tuberkulose etc. die im Zusammenhang mit der Arbeit in oder der Nähe zu den Fabriken standen, wurden bald zum Kennzeichen der armen Bevölkerung. Stundenzahl, Schichtarbeit und Ruß in der Luft sorgten für ein nun kränklich wirkendes, bleiches Antlitz. Bald wurden diese ersten "Zivilisationskrankheiten" mit der ebenfalls neuen Lichttherapie (nach Nils Ryberg Finsen, 1860–1904) behandelt. Hierzu wurden Leidende zur Kur in wesentlich wärmere Breitengrade geschickt. Nur die finanziell Bessergestellten konnten sich das, oder Urlaube am Meeresstrand sowie Sportarten im Freien leisten, und von nun an galt eine "gesunde Bräune" als Inbegriff von gutem Aussehen.

Wie die meisten Menschen wissen, hängt das Leben auf der Erde von der Sonne ab; dazu bestimmt sie Klima, Jahreszeiten und Wetter. Was bringt sie speziell uns Menschen und dem menschlichen Organismus darüber hinaus noch, für welche Prozesse im Körper ist sie verantwortlich? Wie man unschwer vermuten kann, sind dies eine ganze Reihe.                                                                      

Tag und Nacht entstehen durch die Eigenrotation der Erde. Sie ist jedoch (Gott sei Dank) für uns nicht spürbar. Unser Schlaf- und Wachzyklus wird durch das Sonnenlicht bestimmt. Das gilt natürlich auch für Tiere. Nicht-visuelle Rezeptoren (d.h. nicht zum optischen Bild der menschlichen Sicht beitragende) in der Netzhaut registrieren die Leuchtdichte der Umgebung und messen so den Zeitpunkt des Tag- und Nachtwechsels und sogar die Jahreszeit. Tagsüber produziert unser Körper den universellen Botenstoff Serotonin, der auch zugleich als Hormon dient, der unterschiedlichste Prozesse im Körper regelt. Wenn nun das vermindernde Licht der Dämmerung das Signal für den 'Nachtmodus' gibt, beginnt er daraus Melatonin herzustellen, welches u. A. für Müdigkeit und einen guten Schlaf sorgt. Blaues Licht, das intensivste im Spektrum der Sonne, wiederum hemmt die Melatoninbildung und steigert die Produktion von Serotonin.

Sonneneinstrahlung auf die menschliche Haut bewirkt nicht nur die Umwandlung von Cholesterin in Vitamin D** und senkt den Triglyzeridspiegel im Blut - was zur Vermeidung von Arteriosklerose beiträgt - neuen Studien zufolge trägt sie auch zum Abbau von eingelagertem Fett bei. Denn, wie man nun herausgefunden hat, auch im Fettgewebe sind Lichtrezeptoren vorhanden. (Ondrusowa, Fatehi, Czarnecka et al: "Subcutaneous white adipocytes express a light sensitive signaling pathway" https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29180820/). Das blaue Licht dringt bis ins Unterhautfettgewebe und regt dort den Abbau bzw. die Freisetzung von „Fettbläschen“ an.

Das Sonnenlicht erweitert auch die in der Haut liegenden äußeren Blutgefäße und wirkt somit blutdrucksenkend. Das kann auch helfen das Risiko von Infarkten zu verringern.

Die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) im Blut sind Teil des sogenannten "Immunsystems" des Körpers. Die Aktivierung von T-Zellen, einer wichtigen Gruppe der Leukozyten, denn diese sind für die aktive Abwehr von Krankheitskeimen und anderen Fremdzellen zuständig, benötigt ebenfalls Vitamin D, dessen Bildung zu 80-90% vom Einfall des Sonnenlichts auf die menschliche Haut abhängt. Werden Immunzellen dem blauen Anteil des Sonnenlichts ausgesetzt, bewegen sie sich schneller und gelangen so früher zu ihrem jeweiligen "Einsatzort". Sonnenstrahlung aktiviert also buchstäblich die Abwehrkräfte. (Gerard P Ahern, Barbara Jaruga et al.: "Intrinsic Photosensitivity Enhances Motility of T Lymphocytes" Georgetown University 2016 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5171715/)

Durch den Einfluss von UVB-Strahlung auf die oberen und mittleren Hautschichten wird nicht nur Melanin (das Pigment das die Haut dunkler macht) produziert, die Haut selbst verdickt sich auch bis zu einem gewissen Grad und wird widerstandsfähiger.

Sonnenlicht hilft auch, gewisse Hautkrankheiten auf natürliche Weise zu bekämpfen; dazu gehören z.B. Schuppenflechte und Neurodermitis. UV-Strahlen wirken entzündungshemmend und keimtötend, eine zu hohe Dosis jedoch wirkt schädlich, und kann evtl. Hautkrebs verursachen. Um innerhalb empfohlener Parameter zu bleiben, wird die Lichttherapie beim Hautarzt i.d.R. mit künstlichem Licht durchgeführt, also mit Lampen die ganz spezifische Lichtfrequenzen abgeben.

Zu guter Letzt sei in dieser kleinen Übersicht noch erwähnt, dass das Sonnenlicht auch die Produktion körpereigener Cannabinoide und Endorphine fördert. Menschen die regelmäßige Sonnenbäder nehmen weisen einen erhöhten Spiegel dieser schmerzstillend und euphorisierend wirkender Substanzen - macht also buchstäblich glücklich.

* der Begriff "blaues Blut" steht damit in Zusammenhang, denn die blau erscheinenden Adern sind bei sehr heller Haut umso deutlicher zu sehen.

** siehe dazu auch unseren Artikel: "Vitamin D - Der Wächter"

  
  

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